Wissen Sie, was das ist? Wer weiß das schon so genau!
Es gibt sehr viel einfachere Begriffe, die auch praktisch niemand
versteht, sodass es ein Wunder ist, wie wir in dieser konfusen Welt
überhaupt noch „navigieren“. Ich bezweifle auch, dass ich hier in meiner
Motz-Kolumne zufriedenstellend klären könnte, wer dieses Monster
geschaffen hat (die Medien nennen es beschönigend „Rettungsschirm“),
oder wie es funktioniert und was es uns sonst noch antut, aber es geht
hier auch eher um die ganz alltägliche Unbegreiflichkeit – und wie sie
sich in der Sprache breitmacht.
Betrachten wir zunächst das
letzte Wortelement, das zum Ausdruck bringen sollte, was eine Sache
ihrem Wesen nach ist, also in welche Kategorie sie gehört. Was für eine
Art Tierchen: eine „Fazilität“. Eigentlich gibt es dieses Wort im
Deutschen gar nicht. Wahrig Deutsches Wörterbuch von 1970
kennzeichnet das Wort „Fazilität“ als ausgestorben! Mit Totenkreuz!
Dieses Wort ist nicht mehr in Gebrauch! Es ist mausetot, es ist vor
mindestens 43 Jahren aufgestiegen zu seinem Schöpfer! Es guckt sich die
Radieschen von unten an! So redet niemand, außer er will die Menschen
dumm halten und über ihre Köpfe hinweg regieren!
Machen wir uns trotzdem die
Mühe, uns auf eine Klärung einzulassen, so bedeutete „Fazilität“ in
einem verflossenen Jahrhundert „Leichtigkeit, Gewandtheit;
Umgänglichkeit; Willfährigkeit“ und kam aus dem Lateinischen,
facilitas = „Leichtigkeit im Handeln,
Gefälligkeit“. Man wollte sicher andeuten, dass sich die Umverteilung
des Reichtums an notleidende Bankiers künftig mit größerer Leichtigkeit
vollziehen ließe. Und es liegt offenkundig im Interesse der
Hintermänner, dass die fleißigeren und sparsameren Nationen sich
willfährig (gehorsam, gefügig, nachgiebig) das Geld aus der Tasche
ziehen lassen, obwohl solche zwischenstaatlichen Schenkungen oder
Hilfspakete im Europarecht vertragswidrig sind. Die Proteste halten sich
in Grenzen, denn die hiesige Bevölkerung, obwohl sie im Durchschnitt um
mehrere tausend Euro pro Nase geschröpft wird (Kinder und Greise
eingeschlossen, zuzüglich ewiger Zinsen), begreift nicht wirklich, was
geschieht. Wer kann schon erklären, wie viele hundert Milliarden Euro so
ein unpersönlicher „Mechanismus“ kostet, ob „wir“ das Geld, sofern es
real existiert, je wiedersehen, und von wem das Geld eigentlich
herstammt, wenn doch Banken und Regierungen zutiefst
verzockt und verschuldet sind? Wer zahlt
solche Beträge aus? Gibt es sie überhaupt, oder werden sie nur aus
blauer Luft heraus in den Computer getippt? Wer bekommt sie, und welche
Gegenleistung ist vereinbart?
Aber zurück zur „Fazilität“,
zur Leichtigkeit und Willfährigkeit (und der entsprechenden Willkür,
könnte man logisch hinzusetzen). Sie werden bemerken, dass diese alten
Definitionen des Wortes Fazilität nur Eigenschaften beschreiben,
aber kein Ding, keine Institution, keinen Mechanismus. Bei der Wahl des
Fachausdrucks stand also die irreführende Übersetzung aus dem Englischen
im Vordergrund. Das englische Wort heißt
facility und bezeichnet nicht nur die Leichtigkeit oder
Behändigkeit, mit der etwas geschieht, sondern auch „die Mittel, mit
denen etwas bewerkstelligt werden kann“, oder „ein Gebäude, besondere
Räumlichkeiten usw., mit denen eine bestimmte Aktivität erleichtert oder
ermöglicht wird“. So, das ist die englische Bedeutung einer
facility, und so wird uns das
Unwort „Fazilität“ aufgedrängt, damit wir nicht klar denken können:
Gemeint ist eine europäische Einrichtung, Vereinbarung oder
Regelung, mit der bestimmte Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen
erleichtert oder ermöglicht werden können, dank astronomischer fiktiver
Geldbeträge und einiger anonymer Heinis mit obskuren Befugnissen in
gewissen Büros, um diese Machenschaften zu verwalten.
Da auch das betroffene Geld
größtenteils nur in Form mühselig fixierter oder unverantwortlich
tanzender Elektronen existiert, ist es visuell gar nicht darstellbar.
Übrigens erleichtert und fördert das Fernsehen gewohnheitsmäßig die
Verwechslung der Einrichtung oder Behörde mit dem Gebäude, weil
albernerweise in Ermangelung einer konkret sichtbaren Konstruktion oder
Personengruppe eben mit Leichtigkeit das Gebäude gezeigt werden kann.
Man sagt „Bundesbank“ und zeigt im gleichen Atemzug das Gebäude der
Bundesbank. Das ist aber eigentlich nicht die Bundesbank, sondern
nur ihr Gebäude. Was die da drin alle machen, ist schon eher
identisch mit der Bundesbank, aber es ist extrem schwer vorstellbar.
Wenn ich diese gigantischen Beton- und Glaspaläste wie z.B. in Frankfurt
betrachte, dann kann ich mir nur sehr schwer ausmalen, womit sich die
unzähligen Beschäftigten dort den ganzen Tag beschäftigen.
Anleihebewertungen? Börsengeschäfte? Rechenfehler? Oder spielen sie
Schiffeversenken?
Knacken sie Abkürzungen?
Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, alternativ auch
Europäische Finanzstabilitätsfazilität genannt, ist ja fast so
schwer auszusprechen wie ein kommunistischer Führungstitel. (Man denke
an Walter Ulbricht, „Erster Sekretär des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzender des
Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik“; das erinnert mich
auch an Pervez
Musharraf, 2001-2008 offiziell betitelt als „Chief
Executive Officer and
President of
the Islamic
Republic of
Pakistan“; dies nur als amüsantes Streiflicht.)
Daher die Abkürzung EFSF,
an deren Originalbedeutung sich bald kaum jemand erinnern kann. Der
normale Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer kommt völlig
durcheinander, denn außerdem gibt es ja ergänzend auch den
Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus EFSM und dann neuerdings den
Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der als sogenannter dauerhafter
Krisenmechanismus am 1.7.2013 den im Mai 2010 eingeführten temporären
Rettungsschirm EFSF sowie den EFSM ablöst! In dieser
hoffnungslosen terminologischen Fallgrube werden die Medien obendrein
sagenhaft erfinderisch, um das Chaos komplett zu machen, und bezeichnen
die EFSF umgangssprachlich als Euro-Krisenfonds, Euro-Rettungsfonds EFSF,
kurz Rettungsfonds oder Rettungsschirm oder als Euro-Rettungsschirm EFSF.
Das sind die verschiedenen Übersetzungen, die im
Langenscheidt-Routledge Fachwörterbuch Kompakt für Wirtschaft, Englisch
angeboten werden. Dieses Langenscheidt-Werk wird sodann für ein
Wörterbuch erstaunlich frech und sarkastisch, was ursprünglich mein
Interesse weckte, den vorliegenden Artikel zu schreiben.
Also: Der Langenscheidt
bezeichnet die EFSF als eine „Eurospeak-Notkreation
für die medial als Rettungsschirm vermarktete Fazilität“. Man sieht,
dass die sprachlichen Mittel im Grunde erschöpft sind.
Eurospeak, hm? Internationaler
Sprachsalat, begleitet von dem Wunsch nach Vertuschung und
Verheimlichung weitgehend unverständlicher Zusammenhänge und
Ungeheuerlichkeiten, zerrüttet die Klarheit der einzelnen Sprachen. So
entstehen Notkreationen, Verlegenheitsschöpfungen, die nicht
einmal konsequent durchgezogen werden. Heute nennt man es so, morgen so.
Das Wortelement „Euro“ ist von vornherein durch Zweideutigkeit
verdorben, weil es sowohl den Zaster als
auch den Kontinent bezeichnet. So wird aus einem „Europäischen
Rettungsschirm“ ein „Euro-Rettungsschirm“, wodurch sprachlich
verschleiert wird (und unbewusst gleichgesetzt wird), ob die Währung
oder die Gemeinschaft gemeint ist. Die Gemeinschaft könnte aber, wie
früher jahrzehntelang demonstriert worden ist, auch ohne die
Gemeinschaftswährung existieren, eben als lockeres Staatenbündnis oder
Wirtschaftsgemeinschaft. Weil der autoritäre Drang zur Errichtung eines
EU-Bundesstaates auch gegen den Willen der betroffenen Bevölkerungen und
im Zweifelsfall sogar ohne Rücksicht auf die ehemals souveränen
Regierungen stetig zunimmt, muss eine solche „Fazilität“ (Abzocke-Willküreinrichtung,
bankenfreundliche Ausbeutungs-Vereinbarung) überhaupt „als
Rettungsschirm medial vermarktet“ werden. Im Klartext: Das Ministerium
für Volksaufklärung und Propaganda muss einschreiten, weil das Volk
sonst nicht wissen kann, was gut ist.
Auch der
Langenscheidt-Routledge beginnt ungefähr an diesem Punkt zu schimpfen
wie ein Rohrspatz, und das mit Recht: Da heißt es ohne Blatt vor dem
Mund, der EFSF wurde „errichtet im Zuge der ersten EU-Rettungsaktion,
kurzfristig-vordergründig für den insolventen griechischen Staat,
insbesondere aber für die Investoren in dessen Anleihen: EZB, Banken,
Versicherungen, Pensions- und Hedgefonds“.
Das bedeutet, dass definitiv die Interessen der Investoren im
Vordergrund gestanden haben, nicht etwa eine potenziell notleidende
Bevölkerung in Griechenland. Der Zusammenhang mit der Wohlstandsprognose
für die Bevölkerung in den reicheren Ländern tritt hingegen deutlich
zutage, wenn sich hiesige Banken, Versicherungen und Pensionsfonds durch
unsichere Investitionen in Griechenland verzockt
haben und daher scheitern könnten; dann wären ja hierzulande Pensionen,
Versicherungen und Bankkonten gefährdet. Der deutsche Staat und
letztlich der Steuerzahler springt also ein und haftet für die
Verbindlichkeiten privater Institute, obwohl der deutsche Staat sowieso
schon mit 2,2 Billionen Euro in der Kreide steht und auch dieser
Schuldenstand sich immer weiter verschlimmert. Wo nimmt er also das Geld
her? Er borgt es bei den notleidenden Banken, na ja, und bei privaten
Anlegern, die wiederum dem Staat etwas borgen, die aber wegen
grassierender Unsicherheit allmählich höhere und schließlich
katastrophale Zinsen verlangen werden, und der Staat muss dann in
kommenden Jahren und Jahrzehnten (falls nicht alles zusammenbricht) den
Steuerzahler schröpfen, um wenigstens die galoppierenden Zinsen zu
entrichten, ohne dass bei steigendem „Schuldendienst“-Anteil des
Staatshaushalts der Schuldenstand jemals abnimmt. Das kann doch alles
nicht richtig sein.
So werden also durch
Diebstahl an der Bevölkerung gigantische Geldströme zwischen gierigen
Versagern reguliert; der Staat betätigt sich als verzweifelter
Mittelsmann und schließlich als gnadenloser Eintreiber. Der Vorgang
bleibt weitgehend abstrakt, illusorisch und unproduktiv und belastet
zunehmend die Realwirtschaft (die Fertigungs- und Service-Bereiche, in
denen noch ehrlich gearbeitet wird, sowie das damit verbundene Kapital
und Privateigentum). Eigentlich zieht ja niemand aus diesem System der
Zinsknechtschaft einen genießbaren Vorteil – auch die Abzocker nicht,
deren persönliche Genussfähigkeit irgendwo zwischen Austern und
Edelnutten an ihre Grenzen stoßen dürfte. Es gibt höchstens – was ich
nur als hartnäckige Verschwörungstheorie erwähnen will – ein paar
machthungrige Planer im Hintergrund, die sich im Lauf der Jahrhunderte
die Errichtung einer Art High-Tech-Weltherrschaft über eine drakonisch
reduzierte, versklavte Bevölkerung als idealen Endzustand für ihre
Familiendynastien ausgedacht haben, etwa nach dem Modell der
„Hungerspiele” (Die Tribute von Panem). Eine
geeignete neue Weltreligion, die einheitlich Schuldgefühle erzeugt,
Unterwürfigkeit fordert, Furcht erregt und mentale Kontrolle ausübt,
während sie mit subtilen Tricks sowohl Gott als auch die lauthals
beschworene Menschenwürde abschafft, dürfte man zu diesem Zweck
ebenfalls begünstigen. Eklige Zombie-Filme zwecks Senkung der
Tötungs-Hemmschwelle sind Teil derselben Strategie.
Weiter heißt es im
Wörterbuch: „Der Geschäftsrahmen … der Fazilität wurde mit dem 2.
Rettungspaket am 21.7.11 stark ausgeweitet und geht damit weit über die
traditionellen IWF-Befugnisse hinaus: die Einrichtung soll Anleihen
finanzschwacher Euro-Staaten … bei Banken ankaufen und bereits
vorbeugend Darlehenslinien gewähren, um angeschlagene Staaten gegen
disziplinierende Finanzmarktreaktionen abzuschotten.“ Das müsste
bedeuten, dass auf Kosten der Steuerzahler die wertlos werdenden
Anleihepapiere weit oberhalb ihres wirklichen Wertes gekauft werden; der
Giftmüll der Banken landet bei der europäischen „Fazilität“. Die
normalen Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen der Marktwirtschaft
werden ausgehebelt. Da fehlt die gesunde kapitalistische Gerechtigkeit.
Natürlich kann es nicht
ewig so weitergehen. Aber die Befristung der EFSF bis Mitte 2013 wurde
durch den „dauerhaften Krisenmechanismus“ ESM (Europäischer
Stabilitätsmechanismus) inzwischen aufgehoben. In dieser Ausweitung
sehen nach Auffassung des nun heftig zur Klimax gelangenden
Langenscheidt-Redakteurs viele Leute „den unumkehrbaren Einstieg in eine
europäische Transfer- und Haftungsunion mit undurchschaubaren,
unlimitierten Finanztransfers, die die Unterschiede der wirtschaftlichen
und finanziellen Leistungsfähigkeit auf niedrigem Niveau einebnen und
die Motivation zum finanzpolitisch verantwortlichen Haushalten
nachhaltig unterminieren; Kritiker monieren die Eurogebiet-weite
Staatsfinanzierung an den demokratisch legitimierten nationalen
Parlamenten und Haushalten vorbei, systematische
Transparenzreduktion [und] rechtsbrüchigen Missbrauch der EZB bei
Missachtung ihrer Unabhängigkeit.“
Das ist doch mal ein klares
Wort. Die Währungsunion war als Stabilitätsgemeinschaft gedacht. Die
sich weiter verschlimmernde „Transfer- und Haftungsunion“ ist ein
Verstoß gegen Artikel 125 des Lissabon-Vertrags, die sogenannte „No-Bailout-Vorschrift“.
Joachim Starbatty, emeritierter Professor
für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen, erklärte am 29.
April 2010 in einem
Interview mit der Neuen Solidarität den Vorgang, dass mit dem
Griechenland-Rettungspaket die Währungsunion zur Haftungsgemeinschaft
wurde, folgendermaßen: „Ein Verstoß gegen Art. 125 ist ein Zeichen
dafür, dass die Währungsunion als
Stabilitätsgemeinschaft gescheitert ist. Der Wandel von der
Stabilitätsgemeinschaft zu einer Haftungsgemeinschaft löst unabsehbare
finanzielle Folgewirkungen aus. Daher wird das Budgetrecht des
Parlaments beschnitten und die Gesetzgebungskompetenz ausgehöhlt. Wenn
das Parlament genötigt wird, finanziellen Hilfen unbekannter
Größenordnung zuzustimmen, dann ist die Verpflichtung der Abgeordneten
ihren Wählern gegenüber nicht mehr gewährleistet (Art. 38 GG).“
Inzwischen hat sich diese
krasse Entwicklung dreieinhalb weitere Jahre lang fortgesetzt. Die
Rechte der demokratisch gewählten, einzelstaatlichen Parlamente werden
ausgehöhlt. Es ist bezeichnend, dass Gegner dieser Entwicklung heute
möglichst als rechtsradikal gebrandmarkt werden, obwohl viele von ihnen
der Demokratie und auch dem ursprünglichen europäischen Rechtsempfinden
sehr viel aufrichtiger verbunden sind als die Vertreter des
supranationalen, niedrig-nivellierenden, sozialistischen
Solidaritäts-Einheitsbreis, der auf ehrliche Verdienste keine Rücksicht
nimmt. |