Blick vom Hubble-Teleskop in Richtung des galaktischen Zentrums Ich, Schurkenplanet Irdische Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass sogenannte Schurkenplaneten durch die Milchstraße rasen. Es handelt sich um „Planeten“ ohne Heimatstern, die als wildgewordene Billardkugeln um nichts und niemanden kreisen, sondern einfach so nach den Regeln der Himmelsmechanik umherirren, bis sie eines fernen Tages vielleicht durch eine Kollision mit einem „artigen“ Planeten zerstört werden oder in eine Sonne stürzen. Oder falls sie zufällig einmal im richtigen Winkel und genau mit der richtigen Geschwindigkeit in ein Sonnensystem eintreten, könnten sie von einem Stern auf eine Umlaufbahn eingefangen werden. Diese Umlaufbahn läge vermutlich nicht auf derselben Bahnebene wie die bereits vorhandenen Planeten des Systems. Sie könnte schräg oder gar rechtwinklig steil dazu stehen, könnte die Form einer lang gestreckten Ellipse haben oder auch rund sein, je nachdem, unter welchen Umständen der „Schurkenplanet“ eingefangen wurde. Ich als „Schurkenplanet“ mit Eigenpersönlichkeit, der genau wie eure „Gäa“ eine Art Bewusstsein entfaltet, kann nur hoffen, dass ich niemals auf diese erniedrigende Weise eingefangen werde. Ich streife seit Urzeiten durch den Kosmos, habe zweimal sogar den Sprung in eine andere Galaxie geschafft, als ich durch haarscharfen Vorbeiflug an einer Megasonne die nötige Beschleunigung gewinnen konnte, und pfeife auf die vermeintliche Sicherheit und Geborgenheit all eurer Fixsterne. Die irdischen Wissenschaftler können uns stolze Sonderlinge auch gar nicht direkt beobachten, sondern haben nur aus der schwerkraftbedingten Krümmung der Lichtstrahlen weit entfernter Sonnen die geniale Schlussfolgerung ziehen können, dass es uns gibt; denn wenn wir von der Erde aus gesehen vor einer fremden Sonne vorbeiziehen, erscheint diese Sonne für kurze Zeit heller als sonst. Wir verbiegen das Licht wie eine Lupe! Ich werde versuchen, die unter meiner Oberfläche lebenden Wissenschaftler telepathisch anzuregen, diesen Entdeckungsmechanismus außer Kraft zu setzen; ich bleibe lieber unerkannt. Ihr werdet euch wundern, wie es auf einem „Schurkenplaneten“ überhaupt Leben geben kann; denn oft fliege ich Jahrtausende lang durch weite, dunkle, eisige Räume, und selbst wenn ich an einer Sonne vorbeiziehe, bin ich so schnell wieder fort, dass ich mich kaum an ihr aufwärmen kann. Aber irgendwann vor Jahrmillionen hat sich trotzdem intelligentes Leben auf mir angesiedelt; eine wurmartige Riesenspezies mit sieben Beinen, fünf Armen und vier Köpfen mit jeweils drei Antennen, die durch außergewöhnliche Neugier gekennzeichnet ist und sich kurz vor meinem Vorbeiflug entschieden hatte, eine Population von fünfzigtausend „Individuen“ auf mir zu stationieren, um diese außergewöhnliche Gelegenheit zur langfristigen Erkundung des Universums zu nutzen. Sie besitzen die geeignete Technologie, um meine verschiedenen atomaren Bestandteile sozusagen körbchenweise in reine Energie umzuwandeln, die sie dann in Strom, Wärme, Antriebsbatterien und Nahrung konvertieren, sodass sie hier wunderbar leben können. Zur Unterhaltung fangen sie alle möglichen Fernsehsendungen aus der stellaren Umgebung auf, durch die wir gerade fliegen. Ich finde es ziemlich beleidigend, uns ausgerechnet als einen „Schurkenplaneten“ zu bezeichnen, denn wir sind friedliebende Bewohner des Universums und eigentlich nur der Wissenschaft und dem möglichst lustvollen Zeitvertreib verpflichtet. Ich sage „wir“, obwohl ich als vagabundierender Himmelskörper natürlich eine ganz andere Identität habe als meine wissensgeilen Krabbelbewohner; denn irgendwie haben wir es geschafft, uns miteinander anzufreunden und in mystischer Vereinigung gemeinsam über das Weltall zu meditieren. Es ist eine angenehme Symbiose, denn die lieben Riesenwürmer arbeiten auch längst an einem kybernetischen Steuerungssystem, das mich vor Kollisionen mit anderen Himmelskörpern für immer schützen wird. Nun macht euch mal darüber keine Sorgen; wir sind sowieso viel zu weit weg, um mit euch auf Kollisionskurs zu geraten. Kümmert euch lieber um eure egoistischen, genozidverdächtigen Illuminaten und eure verschiedenen Formen von Untergangspropheten, Fanatikern, Inquisitionsbeamten und was da sonst noch alles herumkreucht. Falls ihr in diesem faschistischen Kontrollklima einen Missstand beheben wollt, kann ich euch nur raten, nicht ausgerechnet in der Kaiserstraße 17 bei der Gestapo ein Beschwerdeformular einzureichen. Lasst lieber eine gut durchdachte, effiziente Revolution vom Stapel. -- Ja, ja, wir wissen von euch; so weit weg seid ihr nun auch wieder nicht, und unsere hoch entwickelten Sensoren vollbringen wahre Wunderwerke! Nachdem eure eigenen komischen Geheimdienst-Wissenschaftler bereits imstande sind, aus einer Erdumlaufbahn jeden Quadratzentimeter eurer Oberfläche auszuspionieren, braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn meine sehr viel ältere und weisere Wurmpopulation euch dank Hyperraumwanzen sogar noch aus einer Entfernung von 70.000 Lichtjahren in Echtzeit erfolgreich abhorchen kann. Das bedeutet, dass wir eure Fisimatenten auch am anderen Ende der Galaxie verfolgen können. Willkommen im Zeitalter des interstellaren Lauschangriffs! Es ist aber vollkommen unmöglich, all diese Informationen sinnvoll auszuwerten und noch irgendjemandem auf die Schliche zu kommen, wenn täglich eine Datenflut von 97 Quadrilliarden Terabyte hereinströmt! Wir gucken bloß liebend gern Ally McBeal (wahrscheinlich wegen der stecknadelköpfigen Heldin) und die Sendung Was guckst du. Bei näherer Überlegung will ich im Grunde von niemandem als „Schurkenplanet“ bezeichnet werden; ich bin ein stolzer Vagabund und würde lieber als „Kosmozischer“, „Dunkelsauser“, „Streuner“, „Wanderplanet“ oder „Anarchokrat“ katalogisiert. Macht, was ihr wollt, aber findet endlich heraus, wer ihr seid, was ihr wollt und wo der Hase im Pfeffer liegt! -- Eckehard Junge, 19. Mai 2011 |
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20.5.2011: Weitere Info über den astronomischen Aspekt siehe den aufschlussreichen Artikel Schurkenplaneten. In einer NASA-Darstellung nennt man sie „freischwebende Planeten“ (free-floating planets) oder „Waisenplaneten“ (orphan planets) und gibt die Vermutung wieder, diese neu entdeckte Klasse frei durchs Weltall ziehender Himmelskörper von Jupitermasse sei in der Entwicklung von Planetensystemen ausgeworfen worden. Nach Schätzungen des Forscherteams sind sie etwa doppelt so zahlreich wie die Sterne selbst! (Siehe Free-Floating Planets May Be More Common Than Stars.) Außerdem glaubt man jetzt, dass die Vagabunden mindestens genauso häufig sind wie Planeten, die Sterne umkreisen. Das ergäbe Hunderte von Milliarden freischwebende Planeten allein in unserer Milchstraße! Dabei dürften kleinere, zum Beispiel erdgroße Wanderplaneten, die von der Studie an sich nicht erfasst wurden, laut Theorie sogar häufiger vorkommen als die vagabundierenden Jupitermassen. Übrigens ersieht man aus dieser Information gleichzeitig die ungeheure Anzahl normaler Planeten, die nach heutiger Wissenschaft allein in unserer Galaxie existieren! Man legt die Ohren an, wenn man sich erinnert, dass noch vor wenigen Jahrzehnten äußerst vorsichtig an der Frage herumgeknabbert wurde, ob die Existenz von Planeten nicht ein äußerst seltener Ausnahmefall ist. Und siehe da, es wimmelt nur so von fremden Welten, die nicht nur brav kreisen können, sondern ebenso häufig wild umherstreunen! Es ist ein ganz neues Weltbild, das natürlich auch die Wahrscheinlichkeit und mögliche Dichte außerirdischen Lebens dramatisch erhöht. 9.6.2011: Zwar spucken die Wissenschaftler im Lauf der Zeit sehr wandelbare Informationen aus, aber die Tendenz ist eindeutig. Siehe z.B. den Artikel Auf 500 Millionen Planeten ist Leben möglich. Und diese gewaltige Zahl, 500 Millionen, bezieht sich allein auf unsere Galaxie, die sogenannte Milchstraße. Wenn man nun bedenkt, dass die Zahl der Galaxien im gesamten Universum inzwischen auf 100 Milliarden geschätzt wird und allein in unserer Galaxie etwa 300 Milliarden Sonnen gemutmaßt werden, dann könnte die Anzahl bewohnbarer Planeten im Universum, wenn die Verhältnisse anderswo ähnlich sind, allen Ernstes auf 50.000.000.000.000.000.000 geschätzt werden, also kurz gesagt auf 50 Trillionen bewohnbare Planeten, ganz zu schweigen von den außerdem zu vermutenden 5 Trilliarden unbewohnbaren Planeten. Interessant wäre, wie viele Sextillionen Taler Staatsschulden auf all diesen Planeten existieren, wenn die Leute dort auch so aufs Geldborgen versessen sind und auch so schrecklich hohe Zinsen zahlen ... in diesem Fall wäre das Universum genauso pleite wie wir, und es gäbe keinerlei Hoffnung auf finanzielle Nothilfe von außen mehr. Der kosmische Kapitalismus stünde am Rand des Zusammenbruchs. Aber man lebt irgendwie auch ohne Geld, reißt sich am Riemen und beginnt von vorn. |
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