Die Offenbarung des Aufmüpfigen

 

So mancher, der es müde ist,

Sich von andern diktieren zu lassen die Schritte des Lebens,

Verfällt auf den umgekehrten Dreh und versucht es,

Den Willen der Umwelt zu beugen unter den eignen.

Darum knirschen dort draußen die Stiefel der Männer im Harnisch,

Die auf Befehl eines Wollenden willenlos kamen,

Um abzustechen den Mann und das Weib und das Kind,

Deren Lebensfreude dem freudlos und rücksichtslos Wollenden

Auf dem kargen Weg seines einsamen Wollens im Weg war.

 

So mancher, der es endgültig satt hat,

Sich anteilnehmend mit Blickwinkeln anderer Seelen je zu befassen,

Verfällt auf das Mittel des grausamen, meuchelsüchtigen Fluches,

Den er sorgsam und als vermeintlich unzerstörbares Siegel,

Kraft und Zustimmung heischend von anderen Wesen,

Hinzufügt als Abschluss der leidenschaftlichen Predigt,

Aufdrückt als glühenden Stempel des starren Hochmuts

Und wieder und wieder einstreut in wüste Tiraden:

 

Dass nämlich ein jeder, der anders denke und glaube,

Zu höllischen Qualen verdammt sei in schwefligem Feuer,

Im Bombenhagel verrecken müsse im ach so gerechten Kriege,

In Folterkellern zu richten sei mit blutbespritzten Geräten,

Dass er aufgrund seiner widerspenstigen Denke

Und seiner Verschmähung der Barmherzigkeit,

Die ihm so aufrichtig angeboten ward,

Ein furchtbares Karma erwarten müsse

Und überhaupt das Recht auf eigene Meinung nicht habe.

 

Wie ein schwaches Kind, das im Angesicht seiner Feinde

Trotzig droht mit der Rache des großen Bruders,

Geht wohl ein solcher Führer des Nachts hinab in die tiefsten Gewölbe

Des uralten Schlosses am Rande der stickigen Sümpfe

Und öffnet im Kellerloch frevelhaft betend den Deckel,

Sieht erleichtert hinab in den schwelenden Abgrund

Und atmet sich neues Leben aus stinkenden Tiefen,

Wo seine gehörnten, geschwänzten und kichernden Freunde

Die Kessel befeuern mit all den gepfefferten Phrasen,

Mit glühenden Kohlen aus geifernden Frömmeleien,

Um alle anders Denkenden ganz genüsslich zu gären

In beißender Säure aus harten und einsamen Herzen.

 

Ich aber sage euch, lasset die Kindlein zu euch kommen,

Und lasset sie frei wieder gehn, wenn der Spielplatz ruft;

Das Leben sei den Lebenden und das Lachen den Lachenden,

Die Meinung sei den Meinenden und die Qual den Quälenden.

Wie ihr euch bettet, so werdet ihr schnarchen,

Und wie ihr euch bürstet, so werdet ihr vögeln.

Lasset die Prediger sinnlos einander predigen,

Lasset die Rufer in der Wüste

Ihren Ruf in die Wüste rufen,

Lasset die Quassler ruhig quasseln,

Doch ohne Strom in den Lautsprechern,

Und gebt der verhärmten Kassandra mal endlich

Die Nummer des Heilzentrums Casanova.

Gelobt sei der Herr, gepflegt sei die Stille,

Und, je nachdem was du wirklich brauchst,

Geheiliget oder begeiliget sei die Liebe.

 

           – Eckehard Junge, 23. Juli 2006,

                Endfassung 27. Juli 2006

 

Copyright © 2006 Eckehard Junge

 

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