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Seher im Irrlicht
Wenn alle beginnen, laut zu denken,
dann denkst du lieber leise.
Wenn alle sich wie bescheuert gebärden,
verhältst du dich lieber weise.
Wenn Großmärkte Zyankali verschenken,
trink selbstgemachte Brause.
Wenn Guru-Schergen wütend werden,
geh still und ruhig nach Hause.
Wird deine Hingabe sinnlos verschwendet,
dann arbeite nur noch für Geld!
Wenn Weltretter dich nur opfern wollen,
dann pinkle doch mal auf die Welt!
Ein zierliches Reh, das vor Kälte verendet,
verdient deine wärmende Zuneigung eher
als geistig und ideologisch verblendet
ein vom Irrlicht genarrter Seher.
Kannst du dich noch der Liebe entsinnen?
War schön, ist aber lange her.
Ein seliger Ozean der Gefühle
und luftig leicht, nicht wollüstig schwer.
Doch leider eiltest du stürmisch von hinnen,
denn Alles umfassend, wolltest du mehr.
Harte Genossen und beinharte Spiele
verdarben den Sinn für Wo, Wie und Wer.
Irgendwo im Akazienhonig,
in Alterssehnsucht und Portweinrausch
im Innersten deiner Seele, da wohn ich
und warte auf dich zum gefühlvollen Plausch.
Hab dich nicht vergessen,
hab dich nicht entmachtet,
bin immer noch die,
die auf dich achtet.
-- Eckehard Junge, 17. Oktober 2012 |
Und hier ein paar Verse,
die nicht von mir sind, aber recht gut passen:
Alles eilt von hinnen
Einsam steh'n des öden Tempels Säulen,
Efeu rankt am unverschlossenen Tor,
Sang und Klang verstummt, des Uhus Heulen
Schallet nun im eingestürzten Chor.
Weg sind Prunk und alle Herrlichkeiten,
Schon enteilt im langen Strom der Zeiten
Bischofshut und Siegel, Ring und Stab
In der Vorwelt offenes Grab.
Nichts ist bleibens, alles eilt von hinnen,
Jammer und erhörter Liebe Glück.
Unser Streben, unser Hoffen, Sinnen
Wichtig nur für einen Augenblick.
Was im Lenz wir liebevoll umfassen,
Sehen wir im Herbste schon verblassen,
Und der Schöpfung größtes Meisterstück
Sinkt veraltet in den Staub zurück.
-- A. E. Hermann (1810); lange Zeit Schiller zugeschrieben |

Nadeschda Tolokonnikowa auf dem Weg ins
Kittchen |
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