Totales rechthaberisches Erbarmen
Einer meiner Korrespondenten fragte vor 20 Jahren, als er beruflich in Asien zu tun hatte, einen ultrareichen Konzernchef, mit dem er ins Gespräch gekommen war: «Sind die eigentlich unnötigen gesundheitsschädlichen Zusatzstoffe nicht eine Riesensauerei?» Worauf er zur Antwort bekam: «Was hast du denn? Menschen wollen nicht wirklich leben, wir helfen ihnen nur schneller zu sterben.» Diese Antwort war für meinen Brieffreund schwer verdaulich. Angesichts des selbstzerstörerischen Verhaltens vieler Menschen geriet er in Zweifel, ob der reiche Zyniker nicht möglicherweise recht hatte mit seiner Aussage. Er fragte mich neulich, ob wir denn alle Todes-Junkies sind. Ich überlegte mir, was ich darauf sagen könnte, und möchte meine Folgerungen trotz des brisanten Inhalts hier auch fürs breitere Publikum vorlegen:
Ob wir empört sein sollten, wenn gewisse Bonzen uns «Universale Sterbehilfe» anbieten, oder ob wir in Wirklichkeit alle Todes-Junkies sind, ist eine knifflige Frage, aber der äußere Eindruck täuscht.
Gerade diese absurde Antwort («Wir helfen ihnen, schneller zu sterben») zeigt, dass der Mensch im Grunde gut ist und vor sich selbst gar nicht bestehen könnte, wenn er sich nicht eine Erklärung zurechtgelegt hätte, die sein Handeln oder Nichthandeln rechtfertigt und als eine Art «Hilfe» interpretiert.
Ich
erinnere an die berüchtigte Rede von Heinrich Himmler vor SS-Gruppenführern in
Posen am 4. Oktober 1943, in der er aufrichtig behauptet, die Geschichte werde
es uns einst («in 6.000 Jahren») danken, dass «wir» dieses Werk vollbracht
haben, und das Werk ist die Vernichtung der Juden; er schwelgt sogar in dem
Gefühl, wie wunderbar es doch sei, dass «wir» bei all dem Schrecklichen, das wir
vollbringen «mussten» (Massenmord an den Juden), doch auf jeden Fall «anständig»
geblieben sind. (Originalton Heinrich Himmler: «Von euch werden die meisten
wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder
wenn 1000 daliegen. Und dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von
menschlichen Ausnahmeschwächen – anständig geblieben zu sein, hat uns hart
gemacht und ist ein niemals genanntes und niemals zu nennendes Ruhmesblatt. ...
Wir haben diese schwerste Aufgabe in Liebe zu unserem Volk getan. Und wir haben
keinen Schaden in unserem Innern, in unserer Seele, in unserem Charakter daran
genommen.» – Da dreht sich der Magen um! Heinrich, der Mega-Mörder!)
Ähnliche, aufrichtige «Gutmensch»-Antworten erhielten auch bereits andere Rechercheure, wenn sie sich den Hintergrund-Machthabern (Illuminaten oder dergleichen) am Ende näherten und sie persönlich befragten. Fragen wir zum Beispiel Heinrich den Kissinger nach etwaigen Skrupeln wegen der Folgen von Kernwaffentests für die Einwohner Mikronesiens im Pazifik! («Von denen gibt's doch nur 90.000», sagte er. «Wen kümmert's?») Der an sich schon extrem niederträchtige Zweck «heiligt» die scheußlichsten, mörderischsten Mittel. Wer dabei ein jungenhaftes Unschuldslied pfeifen kann, kriegt vom Ehrungskomitee des salbungsvoll selbsternannten Totentöter-Clubs glatt noch einen Friedens-Nobelpreis obendrauf!
Erst wenn Du siehst, dass die übelsten Charaktere der Welt tatsächlich auf eine verschrobene Weise überzeugt sind, sie handelten zum Wohle aller oder sie wollten doch auf jeden Fall nur das Beste – erst dann leuchten die Ereignisse einigermaßen ein. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs ist ein sehr netter Mann.
Ob diese Leute sich was vormachen und in Wirklichkeit Dummköpfe, gierige Egozentriker und sadistische Feiglinge sind, steht auf einem anderen Blatt, aber ich würde schon sagen, dass dieses mentale Festhalten am Guten ein gemeinsamer Nenner ist. Oft liefern religiöse oder pseudoreligiöse Erklärungen den Brennstoff, wie etwa bei den Ober-Nazis oder auch streckenweise bei «luziferischen» Illuminaten oder Top-Islamisten ... oder es sind gefühlvolle humanistische (oder auch kommunistische oder «grüne») Abhandlungen über Menschheitsziele, worin neuerdings angeblich eine Reduzierung der Bevölkerung eingeschlossen sein müsste (nicht genug Platz, Ressourcen usw.); dass die großen Retter dabei durchaus ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen, versteht sich. Denn «die Guten» werden ja auch in Zukunft noch «dringend gebraucht».
Damit erübrigt sich wohl die zweite Hälfte Deiner Frage, ob wir etwa «wirklich» alle nur aufs Sterben scharf sind.
NEIN, das sind wir NICHT!
Aber es kann schon sein, dass ein schwankend großer Anteil der Menschen (manchmal eine Mehrheit, aber in guten Zeiten nur eine Minderheit) eher in Richtung Tod als in Richtung Leben geht. Das heißt, wenn die Lebensfreude unter einen gewissen Punkt absinkt, dann kann es sein, dass die Mehrzahl der Handlungen eines Menschen eher den Untergang fördert – für sich selbst wie auch für andere. Wenn einer sich bloß noch versorgen lässt (oder häufig bei der Arbeit pfuscht) und wenn er seinen Mitmenschen in der näheren oder ferneren Umgebung das Leben schwer macht, während er sich allmählich zu Tode säuft/raucht/fixt/faulenzt, dann können wir aus der Summe dieser Signale durchaus eine Art Sterbewunsch ablesen, aber das verschafft den Zynikern noch lange keine wahre Rechtfertigung dafür, den Vorgang zu beschleunigen!!!
Um Euthanasie an der ganzen Menschheit zu befürworten, muss man wohl völlig starblind sein, denn es gibt doch immer ein paar Milliarden Leute hier, denen das Leben Spaß macht und die auch das Leben ihrer Mitmenschen eher erleichtern und verschönern; und auch die meisten der weniger Lustigen haben Hoffnungen, Lichtblicke und Freuden, die das Leben trotz allem lebenswert machen.
In einer apokryphen Schrift des Urchristentums habe ich neulich die Formulierung «vollkommenes Erbarmen ohne Überheblichkeit» gelesen, und ich denke, das wäre eigentlich ein schöner Maßstab für eine göttliche oder gottgefällige Perspektive, wenn man nach und nach das Lebensniveau für alle anheben wollte. Seltsamerweise würde aber selbst diese Formel keine Nazi-Bewegung verhindern, denn die Nazi-Mystiker hatten durchaus, an Richard Wagner angelehnt, die Idee, «durch Mitleid zum Wissen» zu gelangen, und dass ein solches Denk-Vehikel auf extrem krumme Art und Weise auch für Sadisten gut brauchbar sein kann, bedarf wohl keiner ausführlichen Erläuterung. Kurz gesagt, die reden sich dann ein, das Leiden der Lebensuntüchtigen abzukürzen, und aus der unumgänglichen Erfahrung des Mitleidens beim grausamen Vollzug der Euthanasie ziehen sie einen mystischen Lustgewinn und perversen Erkenntnisgewinn. Dann stehen sie da, hoch erhobenen Hauptes in edler Traurigkeit und trotziger Unverstandenheit; und zu guter Letzt, getarnt auf Leichenbergen liegend, beißen sie tapfer in ihre Zyankali-Kapsel, noch immer überzeugt, dass sie zum Wohle der Menschheit ihr Bestes gegeben haben.
Mit pauschalen Schwarz-Weiß- Beschreibungen zum Lebens- oder Nichtlebens-Willen der «gesamten» Bevölkerung ist es also nicht getan. Da gibt es doch sehr viele Schattierungen, auch bei den angeblich «Guten» oder «Bösen».
Mir schwebt noch ein Artikelchen oder Büchlein unter dem Titel «Weltuntergang, nein danke» vor. Sollte eigentlich offensichtlich sein, aber komischerweise muss es gesagt werden. Das ist der Zermürbungseffekt der derzeitigen Untergangspropaganda.
Nur nicht unterkriegen lassen!
Eckehard Junge, 17. 10. 2009
Und
apropos:
Zur
okkulten Vorgeschichte des Nazi-Oberwahns siehe meinen versponnenen Artikel
Der Speer des Schicksals und die
Wiege des Lebens (Oder: Der
Satan und die Übercroft):
Notizen über Trevor Ravenscroft, die "heilige Lanze", die Thule-Gesellschaft,
Dietrich Eckart, Rudolf Freiherr von Sebottendorf und Okkultismus an den Wurzeln
des Nationalsozialismus; Tiefsinniges über Krishnamurti-Theosophen wie Henny
Diderichsen, die Große Weiße Loge und den Sternenorden; sowie moderne Mythologie
in Gestalt der Lara Croft)
Zur
Homepage: Phantastische
Heimatseite
Merke: „In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das
Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.“ – George Orwell in seinem
Roman „1984“