Phantastische Heimatseite

 

Der Speer des Schicksals und die Wiege des Lebens

Oder: Der Satan und die Übercroft

(Notizen zu Trevor Ravenscroft, „The Spear of Destiny“, und zum Lara-Croft-Film „The Cradle of Life“)

(Zweimal „Croft”, wohlgemerkt. Der dritte „Croft” in diesem okkulten Namensreigen wäre vermutlich John Ashcroft.)

 

Ich wollte den Dingen mal wieder auf den Grund gehen (meine übliche große Versuchung, meine übliche maxima culpa ) und wanderte durch ein staubiges Antiquariat und sogar durch die Kopenhagener Stadtbibliothek. Denn die Weltpolitik ist irgendwie am Rumpeln, und da muss ich nach einem neuen Zipfelchen suchen, an dem ich ein bisschen ruckeln oder nuckeln kann, um meinen Blick zu schärfen.

Die Grosse Weisse Loge und Jiddu Krishnamurti

Worauf stieß ich im hintersten Winkel des Antiquariats am sagenumwobenen, revolutionsträchtigen Blågårds Plads im Multikulti-Stadtteil Nørrebro? Zwei dänische Theosophen-Heftchen von 1919 über die „Große Weiße Loge“ und die damalige Messias/Erlöser-Erwartung. Höchst aufschlussreiche Texte, falls ich mehr davon verdauen kann als gerade mal die erste halbe Seite und ein paar kleine Absätze aus der Mitte heraus. Die Erwartung eines lichtvollen Heilsbringers war am Ende des Ersten Weltkriegs sehr weit verbreitet, und wie ich nun sehe, auch unter dänischen Theosophen der Marke „Sternenorden“.

In ihrer unscheinbaren grauen Broschüre Den Store, Hvide Loge („Die Große, Weiße Loge“) schreibt die Theosophin Henny Diderichsen 1919 gleich auf der ersten Seite:

Das unsichtbare Band, das alle Mitglieder des Ordens „Der Stern im Osten“ vereint, ist der Glaube daran, dass ein Großer, geistiger Lehrer bald in unserer Mitte erscheinen wird, um unserem Geschlecht zu helfen, ein neues Zeitalter einzuweihen. Wenn jemand uns fragt, worauf wir diesen unseren Glauben gründen, wird die Antwort natürlich verschieden ausfallen. Manche von uns werden es etwa so ausdrücken: „Die Welt präsentiert uns zur Zeit ein äußerst merkwürdiges Bild; alles scheint irgendwie im Fließen zu sein – überall stehen Neuschöpfungen und Umgestaltungen vor der Tür, und die Schwierigkeiten und Probleme, auf die wir in allen Bereichen stoßen, sind von so tiefgreifender und einschneidender Art, dass die menschliche Intelligenz sie scheinbar gar nicht zu lösen vermag; die Situation ist so kritisch, dass wir es als Gewissheit empfinden, nur ein übermenschliches Wesen werde uns den Weg nach vorn in den neuen Abschnitt der Menschheitsentwicklung weisen können, dem wir, nach allen Anzeichen zu urteilen, entgegengehen. Wir glauben daher, dass Christus als mächtiger Hirte der Menschheit wiederkehren wird, um unser Geschlecht zu führen, um die Schafe aus den verschiedenen Pferchen zu einer Herde zu sammeln und um uns zu lehren, wie wir im tätigen Leben die hohen Ideale verwirklichen können, die Er uns vor 2000 Jahren verkündet hat – und die wir leider nur mit unseren Lippen nachgestammelt haben, ohne sie in die Lebenspraxis umsetzen zu können. Wir glauben dies mit der inneren Weisheit, die nicht nach Beweisen fragt – dem inneren Wahrheitsempfinden, das man gelegentlich Intuition nennt.“ (Den Store, Hvide Loge [„Die Große, Weiße Loge“] von Henny Diderichsen, erschienen im „Stjerneordenens Danske Forlag“ (dem „Dänischen Verlag des Sternenordens“), Kopenhagen 1919; geschrieben in Göteborg [Schweden] im Februar 1919)

Was diese dänischen Theosophen damals ersehnten, war freilich kein Hitler! Im Gegenteil, der weltumspannende Sternenorden („Star of the East“) hatte sich die unabhängige indische Geistesgröße Jiddu Krishnamurti (1897–1986) zum Führer auserkoren. Der große Witz ist freilich, dass Krishnamurti zum Entsetzen seiner theosophischen Umgebung den für ihn gegründeten Sternenorden am 3. August 1929 höchstpersönlich auflöste: In einer Rede vor 3000 Mitgliedern des Sternenordens teilte er seinen Beschluss öffentlich mit. Er sagte unter anderem: „Ich behaupte, dass die Wahrheit ein wegloses Land ist.“ – „Mein einziges Interesse besteht darin, den Menschen absolut und unbedingt frei zu machen.“

Ob die Wahrheit nun wirklich ein wegloses Land ist, sei dahingestellt. Wenn niemand etwas zu sagen hätte, womit er anderen den Weg weisen kann, dann gäbe es auch keinen Grund, Vorträge zu halten, Bücher zu schreiben oder überhaupt jemals den Mund aufzumachen. Diese Art Eigentor hinterlässt einen paradoxen Nachgeschmack. In Wirklichkeit ist vielen Menschen durch die Weisheit anderer ganz erheblich geholfen worden. Dass es stets eine Herde von gedankenlos nachplappernden, stereotyp klischeehaften Mitläufern geben wird, ist eine Tatsache des Lebens, die ein großer, weiser Mann eigentlich auf liebevollere Art verkraften sollte.

Es dürfte offensichtlich sein, dass man Theosophen oder anderen wahrheitsliebenden Logenfreunden keineswegs die Sehnsucht nach einer vernichtungsgeilen Hitlergestalt andichten sollte. Wichtig ist auch die Beobachtung, dass zum Beispiel Rudolf Steiner ein erklärter Gegner der Rassisten und Antisemiten war. Nichtsdestoweniger reflektiert der obige Originalton von 1919 auf sehr typische Weise den Zeitgeist der ersten Nachkriegsjahre des Ersten Weltkriegs. (Eine ähnliche Erwartungshaltung macht sich, sehr deutlich, auch zu Anfang des 21. Jahrhunderts breit.)

Nun, das war die „weiße“ Seite der damals gängigen Prophezeiungen. Wenden wir uns nun der „schwarzen“ Seite zu, die zur gleichen Zeit in München propagiert wurde. Übrigens war den wahren geistigen Größen der damaligen Zeit – wie etwa Rudolf Steiner und Jiddu Krishnamurti – empfindlich bewusst, dass ein so großes Sehnsuchtspotenzial und religiöses Vakuum auch sehr leicht in die andere, extrem verderbliche Richtung ausschlagen konnte.

Dietrich Eckart: Prophet der Finsternis

Haben Sie schon mal den Namen „Dietrich Eckart“ gehört? Nein? Wenn wir in Deutschland nicht so auf den „Untergang“ fixiert wären, mit anderen Worten auf das schreckliche Ende vom Lied, sondern stattdessen ein bisschen gründlicher die ANFÄNGE dieser unheilvollen Bewegung studieren würden, dann hätte der Name im Schulunterricht auftauchen müssen, und dann könnten wir die schwerste Entgleisung der deutschen Geschichte endlich „verarbeiten“.

Dietrich Eckart (geb. 23.3.1868, gest. 26.12.1923) war einer der wichtigsten geistigen Ziehväter Adolf Hitlers; in modernen lexikalischen Quellen wird er jedoch geflissentlich übergangen. Eine dänische Enzyklopädie von 1949 weiß noch zu berichten:

Eckart, Dietrich (23.3.1868–23.12.1923), deutscher Schriftsteller, geboren in Bayern; studierte eine Weile Medizin, wurde nach stürmischer Jugend 1894 Journalist, war eine Zeitlang Redakteur beim „Lokal-Anzeiger“ und wohnte ab 1913 in München. Er hat mehrere Gedichtsammlungen und Dramen veröffentlicht, u.a. „Lorenzaccio“ (1918), ein paar Bücher über Ibsens „Peer Gynt“ geschrieben und dieses Werk für die deutsche Bühne bearbeitet. Als Schriftsteller war er von Goethe, Schopenhauer und Angelus Silesius beeinflusst. Er war ein leidenschaftlicher Gegner von Juden und Kommunisten, gründete 1918 die Zeitschrift „Auf gut Deutsch“ in München und war seit 1921 ebenda der erste Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“. Er schloß sich eng mit Hitler zusammen, nahm im November 1923 an dessen Putschversuch in München teil, saß ein paar Wochen in Haft und starb kurz darauf. Er wurde als einer der Helden und Dichter des Nationalsozialismus verehrt und war der Urheber des Schlagwortes „Deutschland, erwache!“. (Hagerups Illustrerede Konversationsleksikon, Kopenhagen 1949)

Ein weiterer aufschlussreicher, im Vergleich zu den einschlägigen okkulten Darstellungen ausgesprochen nüchterner Quellentext zur Person Dietrich Eckart findet sich 1936 bei Konrad Heiden in dessen umfangreichem Werk „Adolf Hitler: Das Leben eines Diktators“. Dieses verschollene Kapitelchen hat eine komplette Wiedergabe verdient:

Wer das historische Glück gehabt hat, an einem Sommerabend des Jahres 1919 die Weinstube „Brennessel“ in dem Münchener Künstlerquartier Schwabing zu betreten, der konnte dort an einem Stammtisch der Erfindung Adolf Hitlers beiwohnen. Oder der Erfindung der Hitler-Legende.

In dem Schwabinger Weinlokal saß der Dichter Dietrich Eckart. Er war ein mittelgroßer, dicker Mann mit einem eindrucksvollen Kahlkopf, etwas kleinen Augen, liebte einen guten Tropfen, und sein drittes Wort war ein bekannter Kraftspruch, der in keiner Sprache so herzhaft klingt wie im bayrischen Dialekt. ... Dieser Lebenskünstler mit dem beneidenswert schönen Namen – er war echt – war wie viele Literaten durch den Krieg politisch aufgeregt worden und wollte nun eine Partei zur Bekämpfung der Juden und Bolschewiki gründen. ...

 „Ein Kerl muss an die Spitze, der ein Maschinengewehr hören kann. Das Pack muss Angst in die Hosen kriegen. Einen Offizier kann ich nicht brauchen, vor denen hat das Volk keinen Respekt mehr. Am besten wäre ein Arbeiter, der das Maul auf dem richtigen Fleck hat. Herrgott, wenn Noske nicht solch ein“ – hier kam wieder ein Kraftausdruck – „gewesen wäre ...! Verstand braucht er nicht viel, die Politik ist das dümmste Geschäft auf der Welt, und soviel wie die in Weimar weiß bei uns in München jedes Marktweib. Ein eitler Affe, der den Roten eine saftige Antwort geben kann und nicht vor jedem geschwungenen Stuhlbein davonläuft, ist mir lieber als ein Dutzend gelehrte Professoren, die zitternd auf dem feuchten Hosenboden der Tatsachen sitzen.“

Und als letzte Weisheit verkündete er: „Es muss ein Junggeselle sein! Dann kriegen wir die Weiber.“

Es leben [1936] noch viele Zeitgenossen, die sich an dieses prophetische Bild erinnern, das Dietrich Eckart in einer Schwabinger Weinkneipe von Adolf Hitler entwarf. (Konrad Heiden, Adolf Hitler: Das Leben eines Diktators oder Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit, eine Biographie, Europaverlag Zürich 1936; Seite 76–78)

So viel zum Gemotze. Das klingt zunächst einmal wie die Grundhaltung eines typischen Bierstuben- oder hier eben Weinstuben-Deppen, aber wenn man weiterliest, entpuppt sich diese Motzerei geradezu als Tarnmanöver. Was dahinter stand, ist weitaus vielschichtiger und psychotischer:

[Dietrich Eckart] ist der geistige Urheber des Führer-Mythos in der nationalsozialistischen Partei. Er hat auch am schärfsten das Arier-Prinzip erfasst, nämlich die Behauptung von der Existenz einer geheimnisvollen, höherwertigen arischen Rasse, die überall in der Welt seit Jahrtausenden auf einer Wanderung von Norden nach Süden begriffen sei, mit den minderwertigen Elementen der heißen Zone und namentlich vom Mittelmeer im Kampfe liege und zumal im Körper des deutschen Volkes, ja in dessen einzelnen Individuen selbst die ewige Schlacht mit der niedern Rasse führe. Der stärkste Ausdruck und verhängnisvollste Träger und Verbreiter der niedern Rasseelemente ist [laut Dietrich Eckart] der Jude; er überträgt nicht nur durch Mischung sein „schlechtes“ Blut, sondern auch durch sonstige Berührung seine Sitten, seine Denkweise, seine Weltanschauung – in Gestalt des Christentums. Eckart wird in dieser Gedankenrichtung, die auf den französischen Grafen Gobineau und den in Deutschland eingebürgerten Engländer Houston Stewart Chamberlain zurückgeht, namentlich durch einen russischen Freund, den Architekten Alfred Rosenberg aus Reval, bestärkt. Sie sind einander in der ‚Thule-Gesellschaft‘ begegnet, einem Verein, der die Lehre von der arischen Rasse verbreitet und sich nach dem sagenhaften Inselreich der nordgermanischen Sage nennt. Seitdem halten sie zusammen wie siamesische Zwillinge. Gemeinsam leiten sie Hitler, nicht so sehr seine Schritte, als sein Denken. Als Dietrich Eckart 1923 stirbt, tritt Rosenberg sein Erbe als Hitlers Lehrer an. (Konrad Heiden, ebd.)

Es handelte sich hier also keineswegs um einen besoffenen Einzelgänger, sondern es stand eine ganze Truppe dahinter, und Eckart war dort ein führender Kopf; übrigens ein schauderhafter, glatzköpfiger, schwarzbärtiger Mystikertyp mit dunklen glühenden Kohlenaugen, sehr un-arisch, wie überhaupt die meisten dieser Über-Arier. Im Dezember 1920, wenige Monate nach der Parteigründung, erwarb Eckart für die NSDAP den „Münchner Beobachter“, den er in „Völkischer Beobachter“ umbenannte. Dietrich Eckart selbst wurde erster Chefredakteur der neuen Zeitung.

Eine große Rarität im heutigen Antiquariatshandel ist, wie man sich denken kann, Dietrich Eckarts Aufzeichnung eines angeblichen Zwiegesprächs mit Adolf Hitler, „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin“. Auf den politischen Werdegang Hitlers übte Eckart damals einen maßgeblichen Einfluss aus. 

Es brodelt in Bayern: Die Thule-Gesellschaft

Nachdem nun unweigerlich das Interesse an der „Thule-Gesellschaft“ erwacht ist, müssen wir fragen: Wer waren diese Leute? Äußerlich betrachtet, war die Thule-Gesellschaft ein im Januar 1918 zur Tarnung der Geheimverbindung „Germanenorden“ gegründeter Verein von teilweise sehr einflussreichen, rechtsradikalen Okkultisten oder nationalistischen Esoterikern, der sich während der Nachkriegsjahre im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten traf. Im November 1918 zählte die Thule-Gesellschaft (laut Website des Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus) in München etwa 250 Mitglieder, während der Germanenorden in Bayern insgesamt 1500 Mitglieder hatte.

Die Thule-Gesellschaft muss historisch vor dem Hintergrund der folgenschweren Entgleisungen der bayrischen Sozialisten betrachtet werden, die in der illegalen „Räterepublik Baiern“ gipfelten. In der Phase vom November 1918 bis Mai 1919 machten die Sozialisten unter Kurt Eisner und schließlich die „Räterepublik“ ganz München zur Sau, bis rechtsgerichtete Freikorps und von Berlin entsandte Reichstruppen diesem Spuk mit einem scheußlichen Blutbad ein Ende setzten. Die Tatsache, dass einige der linken Führungspersönlichkeiten in München (Kurt Eisner, Eugen Leviné, Tobias Achselrod) Juden waren, lieferte Anschauungsmaterial für Antisemiten, die sich ja stets an ihrem eigenen Denkfehler der unzulässigen Verallgemeinerung berauschen; denn die Ursache der Katastrophe lag freilich nicht in der ethnischen Zugehörigkeit dieser Anführer, sondern in der Unbrauchbarkeit des Kommunismus.

In diesem Umfeld stellte die esoterisch-rechtsextreme Thule-Gesellschaft sehr wohl einen politischen Machtfaktor dar; sie hatte tatkräftig die Gegenrevolution unterstützt, sie hatte ihre eigenen Märtyrer, und als dann Recht und Ordnung wieder fest im Sattel saßen und die Münchner Bevölkerung aufatmen konnte, erfreuten sich rechtsradikale Kräfte Anfang der 20er Jahre großer Beliebtheit und hatten mächtige Verbündete bei der bayrischen Obrigkeit und im Militär. Deshalb brauchte übrigens Adolf Hitler seine überaus milde fünfjährige Haftstrafe nach dem Putschversuch von 1923 nicht abzusitzen. Hochverräter von links hätte man damals kurzerhand erschossen oder lebenslänglich ins Zuchthaus gesperrt, aber Adolf Hitler blieb unter fast lieblichen Bedingungen gerade mal so lange hinter Gittern, bis er unter Anleitung des späteren Führer-Stellvertreters Rudolf Heß (Thule-Gesellschaft) und des militaristischen Geopolitikers Karl Haushofer (Thule-Gesellschaft) sein plattes Hauptwerk „Mein Kampf“ fertig geschrieben hatte. In der Tat widmete er dieses Machwerk seinem jüngstverstorbenen Lehrmeister Dietrich Eckart (Thule-Gesellschaft), den er als Märtyrer der NS-Bewegung darstellte, obwohl Eckart wohl eher an den Folgen des Alkoholismus als an den Folgen seiner kurzen Inhaftierung zugrunde ging.

Weitere künftige Nazi-Größen unter den Mitgliedern der Thule-Gesellschaft waren Wilhelm Frick (ab 1939 Mitglied des sechsköpfigen Kriegskabinetts), Julius Streicher (Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“), Gottfried Feder (Wirtschaftstheoretiker der NSDAP, Begründer der Idee von der „Brechung der Zinsknechtschaft“), Julius Friedrich Lehmann (Münchner Verleger, besessener Rassist, 1934 von Hitler mit dem „Adlerschild des Deutschen Reiches“ ausgezeichnet) und Hans Frank (ab 1939 Generalgouverneur in Polen).

Der Speer des Schicksals

Mein zweites nennenswertes Fundstück von heute war eine dänische Ausgabe von Trevor Ravenscroft, „Der Speer des Schicksals“ (auch unter dem Titel „Die heilige Lanze“ bekannt). Dieses brisante Werk stand allen Ernstes in der Kopenhagener Stadtbibliothek, proper einsortiert unter der Rubrik „Okkultismus“. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen oft kritisierten, aber meist nur sehr sparsam zitierten Schmöker tatsächlich mal im Original (bzw. ins Dänische übersetzt) in Händen halten würde. Dass das Leihbuch auf Dänisch ist, stört mich nicht – im Gegenteil, es hat für mich als Leser sogar eine mildernde Wirkung, weil die dänische Sprache bei solchen Themen doch erheblich weniger vorbelastet ist als Englisch oder Deutsch; lässt sich auch flüssig lesen.

Der Titel „Der Speer des Schicksals“ („Die heilige Lanze“) bezieht sich auf den sogenannten Longinus-Speer. „Longinus“ war nach den apokryphen (nicht zum biblischen Kanon gehörigen) Pilatusakten der Name des Hauptmanns unter dem Kreuz (Markus 15, 39) sowie auch der Name des Soldaten, der Jesu Seite mit der Lanze durchstach (Johannes 19, 34). In der Legende wurden diese zwei Figuren später zu einer einzigen Person zusammengefasst; Longinus wurde als erster heidnischer Bekenner des Christentums und als Märtyrer verehrt. (So viel oder so wenig erzählt uns der Brockhaus über Longinus.) Der historische Verbleib dieser Lanze ist umstritten; das Original ist angeblich in der Schatzkammer der Wiener Hofburg verwahrt. Dieses Exemplar gehörte seit dem frühen Mittelalter zu den Herrschaftsinsignien des Deutschen Reiches (den „Reichskleinodien“). Trevor Ravenscroft erzählt unter Berufung auf den angeblichen Augenzeugen Walter Stein, Adolf Hitler sei vom Anblick der Lanze in höchstem Grade inspiriert worden. Näher will ich darauf nicht eingehen, denn ich glaube, dass solchen Objekten keine eigene Macht oder Bedeutung innewohnt, außer der Bedeutung, die magisch orientierte Seelen in sie hineinlegen.

In der Tat zeigen moderne wissenschaftliche Untersuchungen der „heiligen Lanze“, die nach ihrem Nürnberger Gastspiel zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nun wieder in der Wiener Hofburg aufbewahrt wird, dass es sich um eine Schmiedearbeit aus karolingischer Zeit handelt. In diese späte Lanze ist ein ungefähr nagelförmiges Objekt eingesetzt, für das jedoch ebenfalls keine Herkunft aus der Zeit um Jesu Kreuzigung bestätigt werden kann. Es sollen allenfalls Fragmente eines Kreuzesnagels in dieses Einsatzstück eingearbeitet sein, aber auch das ist unbeweisbar. Nachdenkliche Theologen geben unumwunden zu, dass die „Kraft“ oder „Energie“ einer solchen Reliquie auf den Gebeten und religiösen Gefühlen zahlloser gläubiger Menschen über die Jahrhunderte beruht. Mit anderen Worten, im christlichen Umfeld erscheint uns, wenn auch von guten Absichten getragen, derselbe Mechanismus der kollektiven Macht- und Bedeutungsübertragung auf einen Gegenstand wie in der Magie.

Dies mag ein menschliches Grundbedürfnis sein, indem der potenziell freie Geist es bislang vorzuziehen scheint, sich als bloßes Geschöpf zu betrachten und alle „geheimnisvollen“, „überirdischen“ Kräfte in anschaulichen Objekten zu fixieren. Ich persönlich bin der Meinung, man sollte geistige Qualitäten ganz unmittelbar geistigen Wesen zuschreiben und sich nicht auf mysteriöse Art von Gegenständen abhängig machen. In einem weiteren Rahmen vernünftiger und gleichzeitig spiritueller Daseinsgestaltung würde dies bedeuten, dass man sein Leben unter eigener Verantwortung in die Hand nimmt und sich sowohl zu seinen eigenen Entscheidungen als auch zu seiner eigenen, persönlichen, relativen Stärke bekennt.

Garstige Beschwörungen

Um auf Dietrich Eckart zurückzukommen: Laut Ravenscroft verbarg sich hinter dem jovialen Äußeren dieses Mannes ein fanatischer Satansanbeter, „ein Mann, der die höchste Weihe in den Künsten der schwarzen Magie und Rituale empfangen hatte und Mittelpunkt eines einflussreichen und ausgedehnten Kreises von Okkultisten war – nämlich der Thulegruppe“. Und weiter: Dietrich Eckart „behauptete gegenüber seinen Okkultistenfreunden in der Thulegruppe, er persönlich habe eine Art satanische Verkündigung empfangen, die darauf hinauslief, dass er dazu bestimmt sei, das Werkzeug des Antichrist zu sein, des Mannes, der von Luzifer inspiriert sei, die Welt zu erobern und die Sache der Arier zu Ruhm und Ehren zu bringen.“ Das sind schon ganz andere Töne als die oberflächliche Motzerei in der Weinstube, die demgegenüber nun wirklich wie bloße Tarnung erscheint. Oder ist das Ganze nur Wichtigtuerei? Urteilen Sie selbst.

Viele der Informationen und Behauptungen von Ravenscroft sind reichlich starker Tobak. Mit Sicherheit entspringen seine Schilderungen zum Teil bloß einer sogenannten „geistigen Schau“. Wer diese Dinge noch skeptischer sieht, würde sagen, es handelt sich um pure okkulte Einbildung oder Möchtegern-Hellseherei von Ravenscroft selbst oder seiner angeblichen Informationsquelle Walter Johannes Stein. Andererseits ist es keine bodenlose Flunkerei – denn wenn hier wirklich geschwindelt wurde, dann auf der Grundlage einer umfassenden Sachkenntnis und Einfühlung in die Verhältnisse. In der Tat war Ravenscroft eine Art ungeratener Schüler von Walter Stein, und dieser wiederum ein etwas eigensinniger und unübersehbar sinnenfreudiger Schüler von Rudolf Steiner.

In beiden Fällen war der mentale Ziehvater recht angetan von seinem jeweiligen schalkhaften Zögling (Steiner von Stein, Stein von Ravenscroft); das erzählt uns jedenfalls der mittlerweile 90-jährige Mystiker Stanley Messenger in einem Artikel unter dem Titel Lucifer and Ahriman under the Bed. Dieser Herr Messenger ist nur relativ lose mit der Anthroposophie verknüpft, da er nach eigener Aussage vor etwa drei Jahrzehnten wegen einer subjektiven Empfindung von stilistischer Enge (a sort of claustrophobia about style) aus der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft davondriftete; im Übrigen ist er ein sehr eigenständiger, vielleicht auch eigenbrötlerischer Freidenker. Nun, seine Bemerkung über die Sympathie Steiners und dann wiederum Steins für den ungezogenen Schüler verstehe ich ungefähr so, wie man eine unartige Kasperpuppe gern hat. Nur leider ziehen solche belächelten und insgeheim bewunderten, deshalb unzureichend disziplinierten Kasperfiguren im wirklichen Leben eines Tages als selbständige Unruhestifter in die Welt hinaus und legen sich ihrerseits eine Kasperpuppe zu, die sodann im Reifestadium wieder ein bisschen zweifelhafter ausfallen kann als ihr Mentor.

Laut Stanley Messenger hatte Ravenscroft seine Geschichte über den „Speer des Schicksals“ eigentlich als einen Roman veröffentlichen wollen, weil er sehr wohl wusste, dass vieles frei erfunden war; der Verleger jedoch wollte das Material unbedingt als Sachbuch veröffentlichen, weil er sich dafür bessere Verkaufschancen ausrechnete, und setzte Ravenscroft unter Druck, die Sachbuch-Vortäuschung zu akzeptieren und es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Ravenscroft sei Alkoholiker gewesen und hätte das Geld gebraucht ... na schön. Aus ethischer Sicht wäre dies eine sehr ernste Verfehlung des Autors und ganz besonders auch des Verlegers, denn erstens wird bewusst die Unwahrheit verbreitet, und zweitens wird auf lange Sicht das Vertrauen des Publikums in Sachbücher untergraben. Sachbücher sind normalerweise gründlich geprüft und durch mehrfache Gegenlesungen abgesegnet. Wenn diese Sicherheit dahinschwindet, zerbröselt allmählich ein Grundpfeiler der Zivilisation. 

Ich weiß freilich nicht, ob auch Stanley Messenger seine Erkenntnisse vorwiegend aus „geistiger Schau“ bezieht. Ganz genauso muss das geneigte Publikum jederzeit bereit sein, genau nachzuprüfen, ob sich nicht auch Eckehard Junge dies oder jenes aus den Fingern saugt oder es allzu naiv weiterreicht. Ich sage das nicht, weil ich mir in dieser Hinsicht einer unredlichen Absicht beim Abfassen von Sachartikeln bewusst wäre, sondern prinzipiell aus objektiver Fairness gegenüber dem Leser. Auch ich kann mich der Wahrheit nur annähern, und muss zum Beispiel darauf hinweisen, dass dieser Abschnitt („Garstige Beschwörungen“) in der Originalfassung von 2006 erheblich unkritischer im Internet stand: weil ich inzwischen wieder etwas dazugelernt habe. Darstellungen dieser Art ändern sich also. Wir wandeln hier über den Treibsand der Ideengeschichte und rätseln herum, was sich in ferner Vergangenheit hinter verschlossenen Türen abgespielt haben mag. Das aber hätte auch damals niemand wissen können, außer eben jenen Leuten, die selbst dabei waren. Und gerade diese Leute tragen hinterher erstens aus verschiedenen Gründen der Selbsterhaltung oder der Rücksichtnahme einen Maulkorb, zweitens können sie sich gar nicht mehr so genau erinnern oder sie verbrämen und verklären ihre Erlebnisse und ihre Untaten! , und drittens benutzen sie Informationen oft als eine Art veränderbares Gut: sie finden es nicht so wichtig, ob die Information wahr ist, sondern sind vor allem darauf bedacht, welche Wirkung sie haben wird.

Man sollte sich also durch nüchterne historische Studien eine gediegene Kenntnis der nachgewiesenen geschichtlichen Zusammenhänge erwerben, um dann die eher geistesgeschichtlichen Konstrukte von Ideenforschern, Mystikern, Philosophen, religiösen Interpreten und Sensationsschriftstellern so präzise wie möglich beurteilen zu können. Im Falle der Thule-Gesellschaft wäre es zum Beispiel empfehlenswert, sich eingehend mit der oben erwähnten Bayerischen Räterepublik, dem anschließenden harten Durchgreifen rechtsgerichteter Kreise und den damit einhergehenden Anfängen der NSDAP zu befassen. Nur vor dieser soliden Kulisse lässt sich der wichtigtuerische Okkultistenkram halbwegs verstehen und aussortieren. Ohne mächtige Gönner und Förderer in der bayrischen Verwaltung, beim Militär und in Finanzkreisen hätte es Hitler nie so weit gebracht; er wäre gestoppt worden.

Eigentlich hatte ich nur nach ein paar Originaldaten über die Thule-Gesellschaft gesucht. Ravenscroft erzählt (oder erfindet) im Kontext spiritistischer Sitzungen dieses Vereins einige sehr unästhetische Vorgänge. Mit modernen Spezialeffekten könnte man diese Exzesse äußerst wirkungsvoll verfilmen. Wir leben in einer Zeit, in der mit solchen Vorlagen ein grässlicher Unfug getrieben wird, bis niemand mehr weiß, was eigentlich Tatsache ist und was nicht. Ravenscrofts Buch war ein erster öffentlicher Schritt in dieser Richtung; mittlerweile gehört das dämonische Grauen zur täglichen Kost. Nach all den obigen Vorbehalten sollen hier informationshalber nur zwei typische Beispiele für Ravenscrofts aufregende Geschichten angeführt werden. Ob Sie dies nun als Appetitmacher oder ultimativen Abtörner auffassen, bleibt Ihnen selbst überlassen. Für mich ist es nach anfänglichem Antörnen definitiv ein Abtörner.

Erstens: Wenn laut Ravenscroft bei so einer spiritistischen Sitzung der Thule-Gesellschaft aus der Scheide des nackten Mediums der Geist der von Kommunisten ermordeten Thule-Sekretärin, der hübschen blonden Gräfin Heila von Westarp, aufsteigt und sozusagen „Wehe, wehe!“ ruft, in der Tat sogar aus den jenseitigen Gefilden die akkurate Vorhersage trifft, dass der gerade eben entdeckte Herr Hitler ein falscher Prophet ist, dass er Deutschland ins Verderben führen und in Ruinen legen werde, ja dann kommt doch echt Stimmung auf. Und wenn die erlauchte Versammlung von Rechtsextremisten sich weigert, diese Prophezeiung ernst zu nehmen, und mit der Hitler-Förderung lustig weitermacht, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wes Geistes Kind diese Herrschaften gewesen sind.

Zweitens: Da fanden laut Ravenscroft, der als Informationsquelle den Zeitzeugen und „weißen“ Okkultisten Walter Johannes Stein angibt, richtige Kraftakte statt. Man stelle sich (unter größten Mühen, ich weiß!) bitte noch einmal vor: spiritistische Sitzung der Thule-Gesellschaft, Medium liegt nackt im Dämmerschein. Anwesend Rudolf Glauer (unter dem selbstverliehenen Adelsnamen „Rudolf Freiherr von Sebottendorf“, der Gründer der Thule-Gesellschaft), Alfred Rosenberg, Dietrich Eckart, Konrad Ritzler (Frühmitglied/Verleger der Thule-Gesellschaft) und vermutlich ein paar andere okkultistisch-rechtsextreme Sonderlinge. Dietrich Eckart war der Zeremonienmeister bei den regelmäßigen Séancen, und Alfred Rosenberg nahm die medialen Befragungen vor. – Rosenberg wagte es allen Ernstes, das Große Tier der Offenbarung heraufzubeschwören – „den luziferischen Leviathan, der Adolf Hitlers Körper und Seele übernommen hatte“. Laut Ritzler waren alle Anwesenden zu Tode erschrocken ob der mächtigen Kräfte, die sie da „losgelassen“ hatten. Die Luft im Zimmer wurde stickig und unerträglich, während der nackte Körper des Mediums in einer Aura aus ektoplastischem Licht durchsichtig wurde. Der sonst mit allen Wassern gewaschene Herr Glauer (alias Sebottendorf – der Gründer der Gesellschaft höchstpersönlich!) kriegte es so mit der Angst zu tun, dass er zur Tür rannte, aber Dietrich Eckart ergriff ihn und schmetterte ihn zu Boden. Niemand hatte die Geistesgegenwart, die seltsamen, rätselhaften Worte zu notieren, die aus dem Mund des Mediums strömten.

Da wackeln die Wände! Und wir wissen nicht, ob es wirklich so gewesen ist. Viele wohlmeinende Leute haben bedenkenswerte Zweifel geäußert, und professionelle Historiker finden keinen soliden Anhaltspunkt für diese Exzesse. Interessant ist bloß, dass solche Geschichten hartnäckig kursieren, begierig verbreitet und gelesen werden – und dass sie sich in einer rein geistigen Interpretation der Weltereignisse doch ziemlich plausibel und kompatibel anhören. Denn die Leute, die sich in der Thulegesellschaft versammelt hatten, waren zum Teil wirklich Okkultisten, versuchten ihre Kraft und Macht wirklich aus düsteren Regionen zu beziehen und wollten den Gang der Weltgeschichte auf eine hinterhältige, aber kolossal weitreichende Art manipulieren. Insofern ist es kein Wunder, dass nachher solche Geschichten kursieren, mit denen sich zumindest auf populistische Weise verdeutlichen lässt, wes Geistes Kind sie waren. Schließlich nahmen die konkreten geschichtlichen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust doch wirklich einen abgrundtief grässlichen, fast unerklärlich bösartigen Verlauf, sodass der Betrachter geneigt ist, an einen ebenso grässlichen und ebenso unbegreiflichen geistigen Ursprung der Ereignisse zu glauben.

Um aber die Information auf den wesentlichen Wahrheitsgehalt zu reduzieren: Leute solchen Schlages – rechtsextremistische, okkultistisch orientierte Glücksritter des Bösen, ja teils sogar ganz schreckliche und schreckhafte Fummler in selbstgemachten düsteren Regionen – haben die Nazi-Partei aus der Taufe gehoben und auch mit sehr konkreten politischen und finanziellen Mitteln, verstärkt durch ein Netz von Anregungen und Intrigen, für den Aufstieg Adolf Hitlers gesorgt.

Rudolf von Sebottendorf: seltsamer Lebenslauf

Ein fauler kleiner Numerologen- und Okkultisten-Witz am Wegesrand lautet, dass der Thule-Gründer „Rudolf Freiherr von Sebottendorf“ (alias Adam Alfred Rudolf Glauer, alias Erwin Torre) im Jahre 1875 am deutschen Schicksalsdatum, dem 9. November, als Sohn eines Lokomotivführers geboren ist und dass sein Geburtsort ausgerechnet Hoyerswerda in Sachsen war. Das entspricht sogar den allgemein anerkannten Tatsachen. Als Begründung für den Namen „Sebottendorf“ erzählte er seit etwa 1913, in Istanbul habe ihn ein Baron Heinrich von Sebottendorf adoptiert. (Der Geburtseintrag in Hoyerswerda enthält keinen Vermerk einer Adoption.) Da war er längst ein erwachsener Mann; und Freiherr, Baron, wen kümmert’s? Man kann es bei diesen Geschichten mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Der Mann war ein Abenteurer, Okkultist und Dunkelmann, ja möglicherweise ein Hochstapler; dementsprechend undurchschaubar bleiben, genau wie beim Prieuré-de-Sion-Erfinder Pierre Plantard, die meisten Phasen seiner Lebensgeschichte. Die buntgescheckte Früh- und Spätbiographie des Herrn Glauer bietet somit ein spannendes Forschungsfeld.

Eine Ausbildung zum Ingenieur hatte er in jungen Jahren abgebrochen. Er fuhr dann zur See und hielt sich seit 1901 in der Türkei auf, wo er ein größeres Gut verwaltet haben soll und sich zweifellos einer seltsamen Form von östlicher Esoterik, ja möglicherweise einer äußerst unorthodoxen Abart von islamischem Okkultismus widmete; mit Standard-Sunna-Islam hatte es jedenfalls nichts zu tun. Unter der Betreuung eines jüdischen Kaufmanns namens Termudi brachte er es dort angeblich zum Meister des Rosenkranz-Ordens ... Was für ein „Rosenkranz-Orden“, fragt man sich; dies erzählt im Internet auch nur ein wüster Illuminati-Verschwörungstheoretiker namens Leo Lyon Zagami alias Khaled Saifullah Khan, dessen Präzision und Rechtschreibung aber von so schlechten Eltern sind, dass er sich auch bei diesem Ordensnamen durchaus geirrt haben könnte. Hingegen klärt uns eine kanadische Großloge, die Grand Lodge of British Columbia and Yukon, in ihrer (wieso eigentlich?) deutschsprachigen Website darüber auf, Sebottendorf sei nach eigenen Angaben in der Türkei von diesem Herrn Termudi ausgebildet und schließlich ein Meister des Rosenkreuzer-Ordens geworden, einer theosophischen und freimaurerischen Geheimgesellschaft. Mit regulären Rosenkreuzern, Theosophen und Freimaurern (diese Begriffe werden uns als völlig undifferenzierter Mix einfach so vorgeknallt) dürfte eine solche türkische Gruppierung aber nicht viel zu tun haben! Also mit anderen Worten: Irgendwelche mehr oder minder düsteren Mumpitz-Vögel oder archaischen Mentaltechniker werden es wohl gewesen sein. (Kicher!)

1913 kehrte Glauer mit seiner Adoptions-Story als Rudolf von Sebottendorf nach Deutschland zurück – ausgestattet mit einem großen, erklärungsbedürftigen Vermögen. Seine Aktivitäten liegen sodann für einige Jahre wieder im Dunkeln. 1916 oder 1917 stieß er schließlich zum „Germanenorden“, für den er in Bayern aktiv wurde und aus dem die Thule-Gesellschaft hervorging. Sebottendorf steckte in diese organisatorischen Tätigkeiten eine Unmenge Geld aus unbekannten Quellen. Viele Angaben zur Thule-Gesellschaft (Gründungsdatum, Mitgliederzahl, die eigentlichen Inhalte ihrer Sitzungen usw.) sind umstritten. Die Frage ist, inwieweit sich damalige Insider überhaupt an die Einzelheiten erinnern konnten (und wollten). In der anthroposophisch ausgerichteten Zeitschrift „Der Europäer“ wird im November 2000 ein Zeitzeuge namens Hering zitiert:

„Im August 1917 wurde Hering zur Gründung eines Germanenordens eingeladen. Es waren etwa drei bis vier Personen anwesend, an deren Namen Hering sich nicht mehr erinnern kann. Vier Wochen später wurde im Hotel Vier Jahreszeiten der Orden gegründet. (...) Sebottendorf war ein außerordentlich geschickter Mann, der es verstand, alle anderen um den Finger zu wickeln. Er war witzig, humorvoll, bestechend. Solange er dabei war, ging es aufwärts. Er gründete verschiedene Vereine, die voneinander nichts wussten: 1) eine nationale Arbeitergruppe, 2) Verband der Marineoffiziere in München, 3) Verband nationaler Unteroffiziere, 4) Thule-Gesellschaft. (...) In der Glanzzeit hatte der Orden etwa 200 Mitglieder (1918/19), solange Sebottendorfs Geld reichte.“ (Unterredung mit Johannes Hering vom 29.8.1951, aus dem Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München; zitiert nach dem Artikel Geburtstag 9. November: Rudolf von Sebottendorf von Andreas Bracher in der Zeitschrift „Der Europäer“, Jg. 5, Nr. 1, November 2000)

Sebottendorf soll Mitglied einer türkischen Freimaurer-Loge gewesen sein, die in der jungtürkischen Revolution von 1908 eine Rolle spielte. Dementsprechend erzählt Hering in der obigen Quelle auch, die Thule-Gesellschaft sei „mit Freimaurerritus eingerichtet worden“. Nachweisbar ist Sebottendorfs intensive Verwicklung in magische und esoterische Praktiken übrigens auch anhand eines schmalen Buches, das einen Sufi-Schulungsweg beschreibt und das er 1925 veröffentlichte: Die geheimen Übungen der türkischen Freimaurer. Der Schlüssel zum Verständnis der Alchimie.

Die Zeitschrift „Der Europäer“ fasst die Bedeutung Sebottendorfs an der Wurzel des Nationalsozialismus in folgenden Worten zusammen:

„Sebottendorf war der Gründer der Thule-Gesellschaft, die 1918/19 in den Monaten nach dem deutschen Zusammenbruch am Ende des Ersten Weltkriegs entscheidend an der Formierung der völkisch-antisemitischen Bewegung in München mitwirkte. Es war das von Sebottendorf und der Thule geformte Milieu, in das dann ab 1919 Hitler eintrat und in dem er seinen Aufstieg nahm. Hitlers Karriere bis 1923 wurde ganz wesentlich von Mitgliedern der Thule oder Menschen aus ihrem Umkreis geebnet. Hitlers Partei, die NSDAP, ging ursprünglich aus einer Arbeitergruppe hervor, die Sebottendorf mit auf den Weg gebracht hatte, um auch die Arbeiterschaft für den Antisemitismus gewinnen zu können. Seine Parteizeitung, der Völkische Beobachter, ging aus dem Münchner Beobachter hervor, der 1918 von Sebottendorf aufgekauft worden war, um der antisemitischen Bewegung ein eigenes publizistisches Organ zu schaffen.“ (Geburtstag 9. November: Rudolf von Sebottendorf von Andreas Bracher in der Zeitschrift „Der Europäer“, Jg. 5, Nr. 1, November 2000)

Ein eher hintergründiger Treppenwitz der Geschichte ist, dass Sebottendorf 1933 ein recht umfängliches Werk unter dem Titel Bevor Hitler kam: Urkundliches aus der Frühzeit der Nationalsozialistischen Bewegung veröffentlichte, worin die propagandistisch wirksamen Abenteuer der Thule-Gesellschaft detailliert dargestellt sind. Die Mitglieder werden aufgezählt und zum Teil eingehend charakterisiert. Geschulte Historiker werden diesen Text aus verständlichen Gründen sehr misstrauisch begutachten, aber auf jeden Fall stimmt das Zeitkolorit, und die besondere Denkweise des Autors trieft klar und krass aus jeder Zeile. Übrigens benennt sich Sebottendorf dort in der dritten Person; er sagt nicht „ich“, sondern andauernd „Sebottendorf“.

Nun saßen die Nazis aber schon im Sattel, und ein erklecklicher Teil der deutschen Bevölkerung war, wie man links sehen kann, plötzlich sagenhaft blond, blauäugig und total aus dem Häuschen. Führerfixiert mit einem pseudoreligiösen Rappelkasten anstelle eines Gehirns. Hitler passte der Sebottendorf-Schmöker überhaupt nicht, denn er wünschte sich als eine Art unabhängige, ja quasi gotthafte Selbstschöpfung darzustellen, und welche unterdrückerische Bewegung erlaubt jemals einen Einblick in ihren Ursprung? Zu gefährlich, denn ein klarer Blick auf die Anfänge könnte zum Einsturz des gesamten Kartenhauses führen; man verwischt lieber die Spuren. Es spielte also keine Rolle, dass Sebottendorf da einen glühend nazistischen, abgrundtief antisemitischen, lügnerischen und hasserfüllten Schmöker geschrieben hatte, der eigentlich genau in die Zeit passte: Nein, Sebottendorfs Buch Bevor Hitler kam wurde (ebenso wie alle Logen und Geheimgesellschaften, einschließlich der Thule-Gesellschaft selbst) von den Nazis verboten, weil sie ein Monopol auf magische Macht für sich beanspruchten. Natürlich verherrlichte Sebottendorf in seinem Buch die Führungsclique der Nazis, die auf großen Bildtafeln wunderschön abgebildet war (soweit man diesen Leuten Schönheit abgewinnen konnte), aber gleichzeitig betonte er seine eigene Bedeutung und die der Thule-Gesellschaft als Urheber der Bewegung. Sebottendorf wurde daraufhin verhaftet oder einfach nur abgeschoben; jedenfalls konnte er sich davonmachen und gelangte 1934 in die Türkei, wo er 1942–45 in Istanbul als Agent der deutschen Abwehr „fungierte“, während er unter dem Decknamen „Hakawaki“ („Märchenerzähler“) auch als Doppelagent für den britischen Geheimdienst tätig war. Sein deutscher Führungsoffizier Herbert Rittlinger beschrieb ihn später als „eine Null“, d.h. einen nutzlosen Agenten.

Glauer-Sebottendorf soll am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation, Selbstmord begangen haben, indem er in den Bosporus sprang; neuere Recherchen deuten jedoch darauf hin, dass dieser Selbstmord vom türkischen Geheimdienst vorgetäuscht wurde, für den er ebenfalls gearbeitet hatte, und dass er bis in die 50er Jahre noch in Ägypten lebte, genau wie die Drahtzieher des weltweiten Schwachsinns heutzutage einen Mann wie Osama bin Laden offensichtlich davonlaufen lassen.

Unruhige Nachwirkungen

Als Leser der obigen okkulten Gruselgeschichten weiß man nachher nicht genau, ob man Peyote genommen hat oder ob man die Wirklichkeit mit all ihren tieferliegenden Schattenseiten jetzt doch ein bisschen klarer versteht. Ich glaube, eher das Letztere, obwohl vieles davon Mumpitz ist und mit solchen Mitteln eigentlich nur die Schöpferkraft und Energie der Teilnehmer selbst (sowie auch der Leser) missbraucht und kanalisiert wird, um ihnen Angst zu machen. All diese Schrecken besitzen keine wirkliche Kraft und existieren gar nicht, außer es setzt sich jemand bewusst hin und stellt sie in den Raum – indem er sich damit befasst. Freilich, die Beschäftigung mit solchen Themen hat ein paar unangenehme Nebenwirkungen, wie zum Beispiel als letzten Alptraum einer unruhigen Nacht „auf dem Dachboden zu sitzen und Hundekacke zu essen“, was den „unschuldigen Träumer“ dann beim Aufwachen doch sehr wundert. Da kriegt der Träumer dann einen Moralischen und löscht und wienert in seiner Wohnung erst einmal die verschiedenen Überreste der Invasion des Bösen hinfort, das er selbst zu sich eingeladen hat. Aber für gewöhnlich sind Träume nur ein irrelevantes Durcheinander, und in seltenen Fällen sind es Halluzinationen oder Imaginationen fremder Seelen, die mit dem Träumer selbst überhaupt nichts zu tun haben.

Lachhaft! Worauf lässt man sich da ein? Ich finde, ein lustiger Motorradfahrer mit Fressorgien in Oberbayern greift das Leben viel besser an als ich, aber er ist nicht ich, und im Übrigen ist ein derart lustiger Biker durch diese Wand wahrscheinlich schon früher mal durchgedonnert und hat dann auf neuem, höherem Niveau zum Sonnenschein gefunden.

Ich für meinen Teil folge stets meinem eigenen Riecher, und dann werden wir ja sehen. Wenn ich zum Beispiel sage: „Jetzt nur noch das Lichtvolle!“, dann funktioniert das nicht, denn auch meine ganz nüchterne Produktion dieser Tage, also das „sinnvolle Arbeiten“, besteht zum Teil aus der geduldigen Bekämpfung des Dunkelmännertums. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als mein Scherflein zum „Kampf gegen das Böse“ beizutragen, nachdem ich nun schon in solchen Sachen drinstecke. Aber wenn die gegenwärtigen Verpflichtungen abgedient sind, könnte ich auch durchaus auf den Geschmack kommen, mich nur noch mit netten, bürgerlichen Dingen zu befassen. (Tatsächlich? Oder: „Wer’s glaubt, wird selig?“)

GRÄFIN HEILA VON WESTARP

Bevor wir hier einen weiteren Haken schlagen und uns mit einem modernen Mythos namens Lara Croft befassen, der noch ganz frisch ist und mühelos als Erfindung identifiziert werden kann, lohnt sich ein kleiner Nachruf auf die sagenumwobene Gräfin Heila (eigentlich Hella) von Westarp, die 1919 von Rotgardisten als Geisel ermordete Thule-Sekretärin. Sie kam am 11. Januar 1886 in Partenkirchen zur Welt, als Tochter des preußischen Kammerjunkers und Schriftstellers Adolf Graf von Westarp und Godela Gräfin von Westarp, geborene von Oven. Die Familie zog 1890 nach München. Von 1913 bis 1919 lebte Hella von Westarp in Hessen und Württemberg; seit dem 3. März 1919 war sie als ledig, Privatiere, protestantisch wieder in München gemeldet, und zwar in der Nymphenburger Straße 187, 2. Stock. (Eine Privatiere ist eine weibliche Person ohne festen Beruf, die von privaten Mitteln lebt.) Die Gräfin von Westarp war als Sekretärin der Thule-Gesellschaft tätig. 

Am 26. April 1919 wurde sie von Rotgardisten zur Geisel genommen. Ihr Onkel mütterlicherseits, General Ernst von Oven (1861-1935), war Befehlshaber der gegenrevolutionären Truppen, die zu diesem Zeitpunkt auf München zumarschierten und die von Kommunisten geschundene Stadt am 1. Mai schließlich eroberten. Aus privater, familiärer Perspektive betrachtet, kam von Oven einen Tag zu spät, denn seine Nichte war am 30. April mitsamt neun anderen Geiseln (Ernst Berger, Anton Daumenlang, Walther Deike, Walther Hindorf, Fritz Linnenbrügger, Walter Neuhaus, Friedrich von Seydlitz, Franz von Teuchert und Gustav von Thurn und Taxis) bereits erschossen worden auf Befehl des Kommandanten der bayerischen Roten Armee, Rudolf Egelhofer. Die Hinrichtung erfolgte auf dem Hof des Luitpold-Gymnasiums, das die IV. Abteilung der Roten Armee München damals als Kaserne benutzte. 

Kurz darauf brachten die rechten Eroberer unter General von Oven ihrerseits fast tausend Revolutionäre um (inklusive solche, die man dafür hielt). Es waren ungemütliche Zeiten.

Lara Croft und die Wiege des Todes

Bislang haut selbst das Vergnügen bei mir in die rauhere Kerbe. (So rauh, dass sie keineswegs „rau“, sondern definitiv „rauh“ ist.) Ich habe mir gestern abend nämlich, nach der Grabräuberin (Tomb Raider) neulich, auch den zweiten Lara-Croft-Film reingedreht (The Cradle of Life: „Die Wiege des Lebens“). Ja, das sind – mal ganz wertfrei betrachtet – echt tolle Filme!! Es liegt aber wohl hauptsächlich an den Kurven, den Augen, der unsterblichen Katzenhaftigkeit und der Mimik von Angelina Jolie!!

Rückblickend fällt mir dennoch auf, dass in diesem äußerst propagandistischen Story-Strickmuster beim Siegeszug der „Guten“ stets reihenweise die Helfer und Helfershelfer der Guten-Führer und der Bösen-Führer sowie auch die unschuldigen Zuschauer am Wegesrand niedergemetzelt werden. Muss das sein? Ja, FUCK IT, sagen die Propaganda-Satansbraten, „das muss sein!“, das gehöre alles zur sorgfältig degenerierten Idee des „Ewigen Krieges von Gut gegen Böse“, das sei unabdingbare Voraussetzung des Kampfes „Helden gegen Schurken“. Wenn die „Gut“-Helden und die Oberschurken aus der amerikanischen Filmküche nicht mit irgendeiner prima Rechtfertigung, rechts und links, massenhaft Leichen hinter sich zurücklassen können, dann sind sie nicht glücklich. Mit diesem ekelhaften Strickmuster wird die Idee des persönlichen Engagements diffamiert! Es ist ein Wunder – erklärbar nur durch das millionenschwere, pompöse technische Spektakel –, dass die betrogenen Volksmassen sich mit großer Vorliebe gerade diesen bescheuerten Mythos ansehen, aber sie tun es, sie strömen dort zuhauf. Genauso gern gucken viele Leute im Fernsehen die 57. Folge von „Buschimaus gegen Ahmadinedschad“. Auch da dominieren die religiösen Schnapsideen, weil man heutzutage offenbar nur mit solchen Mitteln die Völker zum Krieg aufhetzen kann. Wie man sieht, versuche ich den Schwachsinn zu transzendieren, aber leicht ist das nicht.

Das Denken ist abgeschafft! Der Mythos regiert!

Hinzuzufügen wäre noch, dass mit dem Film „The Cradle of Life“ letzten Endes nur „bewiesen“ wird, dass die Wiege des Lebens „in Wirklichkeit“ die Wiege des Todes ist, weil doch angeblich „alles“ in Gegensatzpaaren auftritt. Denn diese furchtbare Höhle mit ihren übersinnlich rasch zubeißenden Wächtern – die wieder mal nur die Helfer und Helfershelfer in der Luft zerreißen, nicht aber die zweifelhafte Oberheldin und den leichengeilen Oberschurken – diese furchtbare Höhle enthält letzten Endes, in einem Tümpel aus grässlicher Säure schwimmend, nichts anderes als die Kiste der Pandora, worin der zeitgemäß interpretierte Tod für die ganze Menschheit in Form von schrecklichen Viren aufbewahrt ist.

Lara Croft tut das „einzig Richtige“, was in diesem Schreckens-Universum angesagt ist, sie tötet nämlich ihren Nebenhelden – den einzigen Mann, den sie außer ihrem Vater jemals geliebt hat –, denn dieses zynische Arschloch will, nachdem die eindeutig Bösen und zahlreiche Gutmenschen mausetot sind, jetzt diese Kiste an sich reißen und mit nach Hause nehmen, weil sie doch so „wertvoll“ ist. Lara bringt ihn schweren Herzens, aber halbwegs zügig um. Mit anderen Worten, der Preis für die Rettung der Menschheit ist laut „Cradle of Life“ der Tod der Liebe. Dann lässt sie Luft in die Kiste und lässt die Kiste mit all dem darin enthaltenen gleißenden Licht und Virenpotenzial absaufen. So und nur so kann sie die Welt retten.

Schrecklich. Ich weiß nicht, ob der Mythos von den Zuschauern überhaupt identifiziert und verstanden wird, aber mit brachialer Bildgewalt werden Mythos und Liebesopfer sehr nachhaltig ins Bewusstsein eines großen Publikums transportiert.

Fazit: Das will ich alles nicht. Es ist unschmackhaft, ergo: Ich werde mir unabhängig ausarbeiten, was ICH will. Was für eine Welt, was für eine Ordnung, was für eine glückliche, prachtvolle Zukunft für alle Beteiligten. Das arbeitet sich ja sonst kaum jemand aus, die Zukunft ist also ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.

We don't need another hero, sang Tina Turner 1985 im barbarischen Weltuntergangs-Nachspiel „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“. Das stimmt so nicht ganz. Wir brauchen keine Rums-Bums-Helden, keine Rumsfelder, keine erdölhungrigen Gremlin-Kaiser, keine geopolitischen Kontroll-Condis, keine  zornentbrannten Ach-Mann-ich-quetsch-datts und keine Glaubenskrieger, sondern wir brauchen Helden des Geistes, Helden der Wahrheit, Helden des unbestechlichen, klaren, rationalen Blicks. Helden der hilfreichen Hand in der Not, Helden des zwischenmenschlichen Verstehens. Helden der Liebe.

Wie man unschwer erkennen kann, habe ich zurzeit ein paar knifflige philosophische Probleme in puncto Übermensch zu bewältigen, und die gut gesteuerten Satansbraten aus Hollywood erleichtern mir nicht gerade die Lösung dieser Probleme; sie versuchen mit allen propagandistischen Mitteln die angebliche „Schrecklichkeit“ eines geistig höher entwickelten Menschen hervorzuheben und ihm jede Art Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Menschlichkeit abzusprechen. Wirkliche Helden sind aber trotz all dieser Diffamierungen sehr erfreuliche und hilfreiche Persönlichkeiten. Man denke nur an Franz Beckenbauer. An einem freundlichen Geist, der große Macht ausübt, sehe ich nichts Verkehrtes; wir brauchen sehr viel mehr davon.

Manchmal sind die Hollywood-Satansbraten trotzdem eine Hilfe, nämlich indem sie die Entartung des Zeitgeistes bildhaft auf den Punkt bringen. Man kann sich darüber streiten, ob Hollywood diese Entartung schrittweise und vorsätzlich selbst erzeugt hat oder lediglich mit künstlerischen Mitteln eindrucksvoll darstellt und registriert.

 

Eckehard Junge

18. Juli 2006, berichtigt am 26.8.2006

Überarbeitet am 12./13. August 2007 (Erweiterung des Abschnitts „Garstige Beschwörungen“, mit neuen Informationen zur Glaubwürdigkeit von Trevor Ravenscroft)

Erweitert am 3. September 2007 (Neue Daten zum Sebottendorf-Lebenslauf)

Am 23. April 2008 um das Kapitel über Gräfin Hella von Westarp erweitert.

Copyright © 2006, 2007, 2008 Eckehard Junge

Gebirgsfoto: Martin Jahn; Collage: EJ

 

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Siehe auch:

Die Bruderschaft des widerwärtigen Beigeschmacks (Ätzende Dunkelmänner-Satire),

oder in englischer Version: The Brotherhood of Obnoxious Flavor (An acid conspiracy satire).

Pierre Plantard und seine Merowinger (Lügenbaron und Dunkelmänner – Essay –

Hintergründe zum aktuellen Trubel um den "Da Vinci Code" und die "Prieuré de Sion").

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